Scene Report: DREGS – Musikalische Detonationen und feministische Kampfansagen

Mit viel überflüssigem Gerede muss man nicht rechnen, wenn man eine Show der DREGS besucht. Die physisch in Wien und musikalisch im Hardcore-Punk beheimatete Band, geht mit Ansagen zwischen ihren Liedern, die man getrost als musikalische Detonationen bezeichnen kann, eher sparsam um. Offensichtlich präferieren es die seit 2018 existenten DREGS, ihre Songs für sich sprechen zu lassen. Wer also auf Konzerterlebnisse steht, die nicht nur durch harten und direkten Sound, sondern auch durch rauen Gesang geprägt sind, ist bei dieser Band sicherlich an der richtigen Adresse.

Foto von: @tobirivanco

Die Wucht, mit der sie ihre Lieder auf das Publikum zurollen lässt, ist aber nicht alles, was die vierköpfige Truppe ausmacht. Eine zusätzliche und nicht minder interessante Ebene erschließt sich, wenn man sich ihre Texte und die dazugehörige Message zu Gemüte führt. Auf den beiden bisher erschienenen EPs, werden neben Polizeirepression oder Mental-Health vor allem Sexismus-Themen beleuchtet.

Zugegeben, die kurz gehaltenen Liedtexte, die für die meisten Hardcore-Bands ja nicht gerade untypisch sind, vermögen es die angeführten Themen nur grob zu behandeln. Das ist ein guter Grund, um nachzubohren und die DREGS um nähere Ausführungen zu einigen ihrer Texte zu bitten.

Zum Beispiel jenem zum Song „Cats Bite Back“. Ein Lied, das auf der Debüt-EP zu finden ist und das sogenannte Cat-Calling – also den Versuch von Männern Frauen im öffentlichen Raum durch (verbale) sexistische Anmachen zu dominieren und herabzuwürdigen – thematisiert.

Julie, Sängerin und Texterin der DREGS, macht klar, warum es ihr so wichtig ist über dieses Thema zu singen: „Hauptsächlich geht es um meine persönlichen Erfahrungen mit Männern. Mir wurde oft genug gesagt, ich solle doch mehr lächeln, um freundlicher, sympathischer und attraktiver auf Männer zu wirken. Es kotzt mich irrsinnig an, wenn Männer glauben, sie könnten mir sagen was ich zu tun hätte, wie ich mich fühlen sollte, wie ich auszusehen hätte oder wie ich mich ihnen gegenüber verhalten sollte. Wenn ich jemandem gefallen muss, dann mir selbst.“

Doch Julies Blick reicht über das Persönliche hinaus. Sie meint: „Viele Frauen, queere sowie Trans-Personen müssen sich misogyne und transfeindliche Bemerkungen anhören. Ob auf der Straße, im Club, am Arbeitsplatz oder auf einem Hardcore-Punk-Gig.“ Für Männer würde es zu einer Art Spiel werden, zu glauben andere „durch Unterdrückung, Beleidigungen und übergriffiges Verhalten“ schwächen zu können.

Damit spricht sie ein drängendes Thema an, das spätestens seit #MeToo endlich auch in der Gesellschaft breit diskutiert wird. Die #MeToo-Bewegung, sagt Julie, wäre auch für sie persönlich wichtig gewesen. Was sich schlussendlich auch in ihren Texten niederschlägt. Bei der Frage, inwiefern #MeToo zu einer nachhaltigen Sensibilisierung der Gesellschaft geführt hat, ist Julie hingegen skeptisch: „Immer wieder lese ich von Morden und Übergriffen an Frauen und LGBTQ+-Personen. Das ist leider traurige Realität. Daher glaube ich, dass die Gesellschaft noch weit weg von Gleichberechtigung und Sensibilisierung ist.“

Nichtsdestotrotz habe #MeToo auch etwas Positives bewirkt. Viele Frauen hätten ihre Erfahrungen geteilt und sich mit anderen betroffenen Personen solidarisiert. Julie denkt, dass „es auf jeden Fall einige zum Nachdenken und Umdenken gebracht hat“ und sich viele Männer attackiert fühlten. „Gut so“, gibt sich die DREGS-Sängerin kämpferisch, während sie gleichzeitig darauf hinweist, dass es noch mehr Aufklärung, Diskurs und (Weiter-) Bildung brauche.

Foto von @m_knoblauer

Feminismus hilft auch den Männern

„Suck It Up!“ von der zweiten EP „Watch Out“ ist ein Lied, das mit „Cats Bite Back“ verwandt ist und inhaltlich auch die Ursache des alltäglichen Sexismus, nämlich die toxische Männlichkeit, streift. Diesbezüglich meint Julie, dass „sich mehr Männer mit ihren Gefühlen und ihrer Eigenwahrnehmung auseinandersetzen, eigenes Verhalten reflektieren und sich viel mehr mit Feminismus und Gleichberechtigung befassen“ müssten, um ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen zu können, „ohne andere Menschen zu unterdrücken.“

Feminismus helfe demnach nicht nur Frauen und queeren Menschen, sondern auch Männern. Julie erklärt: „Klassische Rollenbilder werden von der Gesellschaft vorgegeben. Bei Erziehung und Bildung geht das Ganze dann weiter. Es baut sich ein enormer Druck auf, wie mensch sein soll.“

Um aus der Defensive zu kommen, gibt es laut Julie ein Mittel, das ihr „super wichtig“ ist – nämlich das Empowerment. „Unsere Songs sollen dazu anregen selbst zu handeln, und sich den Platz zu nehmen. Das ist meine größte Intention dahinter“, meint sie dazu. Die DREGS wollen darüber hinaus jeden dazu ermutigen kritisch zu sein, „Missstände aufzuzeigen und Zivilcourage zu zeigen“, sowie solidarisch mit marginalisierten Gruppen zu sein, ihnen zuzuhören und individuell zu unterstützen.

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Ausblicke

Thematisch werden sich die DREGS auf ihrer nächsten EP, die den Namen „Built To Rot“ tragen wird, mehr dem Kapitalismus bzw. der Konsumkritik widmen. Mit dem Online-Release dürfte Mitte Mai (2020) zu rechnen sein. Julie zufolge wird die Scheibe, wie schon die zweite EP, auf dem in Berlin ansässigen Straight-Edge-Label REFUSE Records erscheinen. Erwähnenswert ist auch die Kooperation zwischen den DREGS und Björn Peng, dessen neues Album ebenfalls im Mai rauskommen soll. Julie verrät, dass darauf eine Neuvertonung des oben erwähnten DREGS-Songs „Cats Bite Back“ zu hören sein wird. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich ihr Hardcore mit Pengs Dark Rave vertragen wird. Wir sind jedenfalls gespannt.***

geschrieben von Alex

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