Was für ein Jahr.. Vor allem für die Musikszene waren es verheerende zwölf Monate, ohne Konzerte, Festivals und Touren. Kaum Einnahmen für Musiker*innen, Veranstalter*innen, Crew-Mitglieder und Techniker*innen und wenig Aussicht auf eine rasche Besserung des Ist-Zustandes in der Szene sorgen für Bauchschmerzen, leere Taschen und Ungewissheit. Anstatt in einem schweißtreibenden Moshpit steht und fällt alles mit einer Impfung gegen „dieses“ und noch immer nicht „diesen“ Virus, der seit knapp einem Jahr die Welt in Atem(masken) hält. Eigentlich hat sich 2020 keinen Jahresrückblick verdient. Da heuer aber dennoch/trotzdem/deswegen, oder weil es „eh wuascht is!“, so viele gute Platten erschienen sind, möchte ich euch in drei Teilen meine Lieblingsplatten des Jahres vorstellen.
Wer Teil 1 und 2 noch nicht gelesen hat, kann das gerne hier nachholen:
Mehr: 2020 – Es war nicht alles schlecht! Teil 1: Jänner – April
Mehr: 2020 – Es war nicht alles schlecht! Teil 2: Mai – August
Der Vorteil an Trilogien ist, dass nach dem zweiten immer noch ein dritter Teil kommt. In diesem dritten und somit letzten Akt unseres Jahresrückblicks hören wir uns meine Lieblingsplatten der Monate Oktober-Dezember an. Halt! Oktober-Dezember? Schlaue Füchsinnen und Füchse, die ihr seid, habt ihr wohl sofort bemerkt, dass ich den September ausgelassen habe und das, obwohl dieser zu den zwölf beliebtesten Monaten des Jahres gehört. Nun, die Erklärung ist simpel: Ich habe einfach keine Platte gefunden, die in diesem Monat rauskam und mich so dermaßen umgehauen hat, sodass sie in dieser Auflistung vorkommen müsste. Also springen wir mit unseren, mit Edding bekritzelten, Gummistiefeln über die September-Pfütze und stürzen uns mit breitem Lächeln auf die Kreissäge Oktober-Dezember.
Touché Amoré – Lament
Release: 09.10.2020
Nachdem im Oktober die Tage wieder kürzer wurden und persönliche Kontakte und Treffen wieder eingeschränkt werden mussten, war mir in dieser Phase des Jahres nach einer gehörigen Portion Wut und Melancholie zumute. Zufällig stieß ich auf die neue Platte von Touché Amoré. Eine Band, die ich zwar seit längerer Zeit kenne, aber nie aktiv gehört oder verfolgt habe. „Lament“ war genau das Album, nachdem ich gesucht habe. Die vielen Tempowechsel lassen die ruhigen Passagen noch ruhiger und die schnellen Parts noch schneller und aggressiver wirken. Ein Stilmittel, das mir für dieses Album richtig gut gefällt. Die sich vor Schmerz zerreißende Stimme von Jeremy Bolt, der wieder entweder shoutet, oder erzählt, kaum aber zu klarem Gesang greift, fügt sich perfekt in das Soundgefüge ein. Ich hatte Touché Amoré kaum noch auf dem Schirm. Nun sind sie wieder fester Bestandteil meines musikalischen Alltags.
Die Ärzte – Hell
Release: 23.10.2020
Monatelang paarten sich vorsichtiger Optimismus und schlimmste Befürchtungen in meinen Gedankengängen. Ein neues Die Ärzte Album. Acht Jahre nach dem Reinfall namens „auch“ sollte die beste Band der Welt – ja, das werden die Drei immer für mich bleiben – wieder einen Tonträger veröffentlichen und was bin ich froh, Die Ärzte haben abgeliefert.
Von einer Punkrock-Platte sind wir nach 33 Jahren netto mittlerweile weit entfernt. Doch das stört mich überhaupt nicht. Der klassische „Die Ärzte – Witz“ ist nach wie vor erhalten und die musikalische Freiheit sei den drei Göttern doch gegönnt. „Hell“ macht Spaß, lädt zum Tanzen ein und regt zum Nachdenken an. Mit „Das letzte Lied des Sommers“ und „Ich, am Strand“ liefert Farin Urlaub zwei Songs ab, die es in meine All Time – Die Ärzte – Top 50 schaffen. Bela lässt mich beim „Clown aus dem Hospitz“ ein kleines Tränchen verdrücken und Rod überrascht mit „Morgens Pauken“ und „Polyester“ auf voller Linie. Schön, dass Die Ärzte auch 2020 immer noch glitzern und funkeln (das war ein Hendiadyoin).
Donots – Birthday Slams (live)
Release: 04.12.2020
Von der besten Band der Welt komme ich zum Abschluss meines Jahresrückblicks nun zur sympathischsten Band der Welt – den Donots. Kaum zu glauben, dass Ingo, Guido, Purgen, Eike und Alex schon ganze 25 Jahre zusammen den Globus bespielen. Zu ihrem Jubiläum haben sie mit den Birthday Slams eine eigene Konzertreihe aus dem Boden gestampft – Frühshoppen-Konzert inklusive. Aus diesen Shows wurde letztendlich das erste Live Album der Bandgeschichte, welches durch Energie, Spiellaune und vor allem einen überraschend gut ausgepegelten Sound besticht. Die Stimmung ist sensationell und sowohl Gesang, Musik und Publikumsinteraktionen haben immer genügend Raum. Das Set ist ein guter Querschnitt aus dem letzten Vierteljahrhundert und die Stargäste polieren einen ohnehin schon glänzenden Pokal noch mal ordentlich auf. In einem Jahr ohne Konzerte ist diese Platte wie Balsam für die Seele und geht runter wie der erste Schluck Bier nach einem harten Arbeitstag. Hoffe, man sieht sich nächstes Jahr wieder. Küsse gehen raus nach Ibbenbüren!
- written by powerpup